Manchmal verändern Begegnungen alles – ohne dass man es merkt.
Vor dreizehn Jahren traf ich sie zum ersten Mal. Sie war die Freundin eines Bekannten, mit dem ich Musik machte. Ich konnte sie nicht leiden. Unsympathisch, aufbrausend, respektlos. Jeder sagte mir, sie sei oberflächlich, eingebildet, arrogant. Sie war jung, gerade alt genug, um alleine rauszugehen, und trotzdem schon furchtlos, bereit, jedem aufs Maul zu hauen, wenn es sein musste. Sie war wunderschön, aber zugleich suspekt – jemand, den man nicht einfach einschätzen konnte.
Mit der Zeit sah ich sie mehr. Sie wurde öfter zu mir mitgenommen, sie war bei Treffen, Veranstaltungen, Musikproben, Aufnahmen – Momente, die zunächst beiläufig schienen, aber nach und nach ihre eigene Bedeutung bekamen. Ich merkte, dass sie in Beziehungen die Hosen anhatte, dass sie wusste, was sie wollte. Ihr Freund tat, als hätte er alles im Griff, doch in Wahrheit war sie die Stärkere, die Bestimmende, die seine Kronjuwelen in der Vitrine zuhause hängen hatte und ihnen beim Baumeln zusehen konnte.
- Vielleicht war das auch immer unser Problem, denn sowas lieĂź ich nicht zu und wollte immer auf Augenhöhe kommunizieren, aber dazu später mal –
Wir lernten uns immer besser kennen. Kleine Gespräche, gemeinsames Lachen, lange Nachrichten, täglicher Austausch, auch während ihrer Berufsschule. Wir entdeckten Gemeinsamkeiten, wie unsere Sprache, und nach und nach wurden wir Freunde, echte Freunde. Sie war jemand, auf den man zählen konnte – wie damals, als sie die Erste war, die ins Krankenhaus eilte, als mein Sohn kam. Sie hielt meinen Sohn im Arm, lange und weit vor allen anderen aus der Familie, und bis heute, denke ich, sind sie durch diese Nähe verbunden. Mittlerweile ist der kleine Sohnemann aber schon ganz schön groß, er ist „halb zwölf“, wie er mal sagte – und wir lachten noch immer über diesen kleinen Versprecher.
Erst nach vielen Jahren, als sich unsere Freundschaft gefestigt hatte, begann sich etwas Subtiles zwischen uns zu entwickeln – ein Ziehen, ein Anziehen, das man nicht leugnen konnte. Zehn Jahre später, etwa Dezember 2024, war es spürbar, ohne dass es plötzlich über Nacht passiert wäre. Ohne dass wir es wollten. Wir hatten uns so vertraut gemacht, dass jede Begegnung, jeder Gedanke aneinander intensiver wurde, ohne dass wir es wirklich einordneten. Die Umarmungen wurden länger, die Distanz, beim nebeneinander Stehen oder Sitzen, spürbar kleiner.
Und irgendwo in all diesen Jahren davor erkannte ich, dass sie etwas Besonderes ist. Heute, zwölf Jahre nach seiner Geburt, bewundert mein Sohn sie für ihre Fähigkeit, so viele Sprachen zu sprechen – ein Detail, das ihm erst kürzlich wieder bewusst wurde.
Und all das begann mit einer Begegnung, die ich nie für möglich gehalten hätte: unsympathisch, furchtlos, unglaublich lebendig – und doch der Beginn eines kleinen Universums, das ich nicht verlieren wollte.
Doch das ist eine andere Geschichte…
ps: ich liebe dich noch immer
pps: ich vermisse dich


